Die gezähmte Bestie/ Sozialgeschichtliche Hintergründe der Entwicklung von Zoos

Ein alter Text von mir, den ich zu Beginn meiner Dissertation als Expose für ein Stipendium schrieb. Vieles sehe ich heute anders.

Zoologische Gärten verstehen sich in der Zeit der größten Vernichtung von Tier- und Pflanzenarten in der Geschichte dieses Planeten durch die globale kapitalistische Produktionsweise als Erhaltungszentren für vom Aussterben bedrohte Tierarten. Zugleich diskuttieren „Tierrechtler“ kritisch und kontrovers über Zoos als Tiergefängnisse.

Die Genese der Zoos in Deutschland ist die nicht nur Grundlage der heutigen Stellungnahmen zur Zootierhaltung, sondern auch ein Thema der Sozialgeschichte. Das Scheitern der demokratischen Revolutionäre und die bürgerliche Ideologiebildung im 19. Jahrhundert läßt sich an den Zoos explizit nachvollziehen.

Die heutige Diskussion, in der Tierrechtler radikal gegen die Wildtierhaltung kämpfen, während die meisten Arten- und Naturschutzorganisationen den Zoos ambivalent bis wohlwollend gegenüberstehen und die Interpretationen von Zoos von der Bezeichnung „Tiergefängnisse“ bis zu „ökologischen Genpools“ divergieren, zeigt deutlich, dass die Sichtweisen auf Zootierhaltung als politischer Brennpunkt noch heute hochaktuell sind.

Die Zoos waren Institutionen der Moderne. Bürger legten Zoologische Gärten in Deutschland seit der Mitte des 19. Jahrhunderts an, in der Zeit einer explosiven Urbanisierung und Industriealisierung. Die Zoogründungen erfolgten in einer Zeit der Entfremdung der städtischen Bevölkerung von der nichtmenschlichen Natur und einem Umbruch von einer an die menschliche und nichtmenschliche Natur angelegten Zeitrechnung zum linearen Zeitrythmus der Moderne.

Die Spezialisierung auf Hochleistungsrassen löste in der Nutztierhaltung die regional differenzierte Tierhaltung in der Fleisch-, Milch- und Wollproduktion ab. Eine historisch neuartige Abstraktion ergab sich aus der Maschinisierung der Schlachthöfe im Bewusstsein zwischen der Verbindung zwischen der Tötung eines Lebewesens und dem Essens desselbigen auf. Die bürgerliche Trennung zwischen Privatem und Öffentlichen zeigte sich auch in der Tierhaltung.

Im maschinellen Schlachten vermischte sich erstmalig Organisches untrennbar mit technischer Automatisierung. Heimtierhaltung als privater Prozeß erhielt zeitgleich eine Massenbasis. Die Bürger psychologisierten und vermenschlichten Tiere in einem säkularen Sinne, wie er der agrarisch geprägten Bevölkerung der Vormoderne fremd gewesen war. Die Anthropologisierung der Welt und die Abkehr von einem christlichen Weltbild bedingte eine Anthropologisierung der nichtmenschlichen Natur.

Zoos unterschieden sich von älteren Formen der Tierhaltung insofern, dass ihre Gründung Resultat der bürgerlichen Revolutionen des 19. Jahrhunderts war. Der erste Zoo der Welt war der Jardin des Plantes in Paris, den die Revolutionäre 1794 dem Volk öffneten. Er ging hervor aus der Menagerie Louis XVI. Die Jakobiner hatten in der Französischen Revolution gefordert, den königlichen Tierbestand als Symbol für den Prunk des Adels zu schlachten und das Fleisch an die Pariser Bevölkerung zun verteilen.

Revolutionäre Wissenschaftler setzten sich jedoch durch und bewahrten den Tierbestand. Die Feudalmenagerie sollte eine Volksbildungsstätte und naturkundlich-aufklärerische Forschungsinstitution werden. In der Folge schätzten alle Fraktionen der Revolution den Jardin des Plantes. Der Pfanzengarten mit Tieren galt als Symbol der postrevolutionären Nation. Klassifizierung, Rationalität und Verwissenschaftlichung standen für den Durchbruch des bürgerlich-revolutionären Vernunftprinzips. Tiere dienten dazu, eine nach säkularen Gesichtspunkten geordnete Gesellschaft zu veranschaulichen.

Der Zoo von Paris war Vorbild für die Gründung eines Zoological Garden (hier taucht das erste Mal der Begriff Zoologischer Garten auf) im Londoner Regent´s Park 1828, dessen Initiatoren dem progressiven Londoner Bildungsbürgertum zuzurechnen waren. Danach bauten Bürger in Europa Zoos in vielen Städten, als Symbol für Weltoffenheit und Modernität.

Die englischen, niederländischen und französischen Zoos waren Mitte des 19. Jahrhunderts bereits Symbol nationalen und kolonialen Prestiges. In Deutschland, dem Nachzügler der bürgerlichen Emanzipation dienten sie als Kennzeichen des politischen Liberalismus, der Erbauung und Herzensbildung.

Alexander von Humboldt und Professor Lichtenstein in Berlin gründeten 1844 den ersten Zoo in Deutschland, nachdem der Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV.seine im Tiergarten befindliche Menagerie der Bevölkerung geöffnet hatte. Sowohl Lichtenstein als auch Humboldt waren überzeugte liberale Demokraten. Sie waren als Wissenschaftler Vertreter eines Kosmopolitismus und gleichermaßen Protagonisten einer universalistischen Naturphilosophie. Diese Philosophie war kennzeichnend für ein Deutschland, in dem bürgerliche Emanzipationsprozesse politisch nicht umgesetzt worden waren. Die universalistische Naturphilosophie mit ihrer Einheit (und somit Gleichheit) allen Lebens und ihrer Nähe zum Rosseauschen Menschenbild galt den preußischen Behörden wegen Überschneidungen zu den demokratischen wie frühsozialistischen Bewegungen als politisch verdächtig.

Die Überantwortung einer kulturellen Institution an den berühmten Alexander von Humboldt und den international renommierten Lichtenstein erwies sich als gesellschaftliche Öffnung der Monarchie gegenüber dem liberalen Bürgertum. Gleichzeitig integrierte der konservative Preußenstaat die erstarkenden demokratischen Bewegungen der Vormärzzeit.

Die erste große Welle an Zoogründungen in Deutschland erfolgte unmittelbar nach der politisch gescheiterten Revolution von 1848. Die Entgrenzung und Popularisierung der Naturwissenschaften in der kulturellen Tradition der Romantik erwies sich als Kompensation des politischen Mißerfolgs des revolutionären Bürgertums, nachdem es sich der feudalen Herrschaft hatte unterwerfen müssen. Die kulturelle Hegemonie der Aufklärer kennzeichnete ein Deutschland, in dem vorbürgerliche Strukturen und Mentalitäten in einem viel stärkeren Ausmaß als in Frankreich oder England auch die Bevölkerung prägten.

Diese kulturelle Hegemonie war kennzeichnend für die ersten Zoogründungen. Die Zoogründungen sind nicht isoliert zu betrachten, sondern gingen einher mit der Gründung von Theatern, Opern, Naturkundemuseen und anderen Zentren des städtischen Bürgertums in den Jahren nach 1848. Insbesondere unterpriveligierte Fraktionen des Bürgertums waren Vorreiter dieser soziokulturellen Emanzipation, vor allem Angehörige der jüdischen Gemeinschaft.

Die deutschen Zoos wurden mehrheitlich von Aktienvereinen getragen und entsprachen dem Modell eines erstarkenden Bürgertums. Einerseits beteiligten sich an den Zoos Mitglieder des Bildungsbürgertums wie Ärzte, Geisteswissenschaftler und Naturwissenschaftler, andererseits Kapitaleigner wie Großkaufleute und Bankiers. Trotz eines postulierten aufklärerischen Ansatzes waren Arbeiter an Zoogründungen ebensowenig beteiligt wie Frauen.

Die liberalen Fortschrittsoptimisten sahen Zoos als Basis zur Nutzbarmachung fremder Tierarten. Der volkswirtschaftliche Nutzen trat an die Stelle der adligen Tierhaltung, die Schmuck (Fasanerien), Stärkedemonstration (Raubtierhaltung) und feudale Jagd (Hirsche, Wildschweine…) zur Schau gestellt hatte.

Zwischen 1858 und 1878 erfolgten Zoogründungen in Frankfurt am Main, Köln, Dresden, Hamburg, Bremen, Hannover und Leipzig. Zwar war die Motivation dieser Gründungen unterschiedlich, resultierend aus der zersplitterten feudalen Struktur in Deutschland, die inhaltlichen Zielsetzungen ähnelten sich aber sehr.

Zoogründer bezeichneten die Gegner der Zoos als Feinde der Bildung des Volkes. Der von Frankfurter Demokraten im Anschluß an die Märzrevolution gegründete Zoo sollte ein Lehrbuch der Naturgeschichte sein. Die Zoogründer in Hannover wollten zeigen, dass das Wesen des Tieres im Leben liegt. An die Stelle des politischen Subjekts von 1848 trat das an Rosseau angelehnte biologische (mit gleichen Rechten geborene) Wesen Mensch- symbolisiert durch die lebendige Tierwelt und somit die natürliche Wirklichkeit. Die Hinwendung zu dieser Philosophie des im Naturzustande guten Menschen, die Teil des Gedankenguts der Französischen Revolution gewesen war, war für die deutschen Demokraten ein Rückschritt. Sowohl die Französische Revolution als auch die Märzrevolution in Deutschland hatte dieses philosophische Koordinatensystem bereits politisch entwickelt und praktisch umgesetzt.

Die deutschen Zoos entsprangen einer emanzipatorischen Tradition, waren aber kennzeichnend für die politische Niederlage der deutschen Demokraten und ihre Zwangsintegration in die weiterbestehende feudale Herrschaft. Strukturell waren die Voraussetzungen für eine demokratische Revolution nicht gegeben, da es weder ein einheitliches politisches Bürgertum, geschweige denn ein kritisches Proletariat gab.

Die revolutionären Bewegungen waren lokal organisiert, ohne konkretes Zentrum und ohne Massenbasis. Es waren weder die städtischen noch die ländlichen Unterschichten, sondern bürgerliche und frühsozialistische Intellektuelle, die sich gegen die reaktionäre Innenpolitik der einzelnen Fürsten zur Wehr setzten.

Die frühen Zoos in Deutschland unterschieden sich somit in ihrer sozialgeschichtlichen Bedeutung elementar von den französischen und englischen Zoos. Letztere waren Produkt vollzogener bürgerlicher Emanzipationsprozesse. Die deutschen Zoos waren ein Instrument innerhalb gesellschaftlicher Reformprozesse.

Die Zoos der 1850er Jahre entstanden keinesfalls in naturnahen Regionen, sondern in den fortgeschrittensten Industriestädten mit außergewöhnlich großen progressiven intellektuellen Millieus wie Breslau, Stettin, Leipzig, Dresden und Jena. Auch in lokalen Zentren mit Anschluß an die Eisenbahn wie Hannover, Hamburg und München wurden Zoos gegründet. Das Vorbild des Jardin des Plantes als Inbegriff der wissenschaftlichen Rationalität ging einher mit neuartigen technischen Möglichkeiten. In Deutschland wurden, der Aufteilung der Länder in feudale Rechtssysteme, Zollschranken und kulturelle Strukturen entsprechend, mehr und differenziertere Zoos gebaut als in England oder Frankreich.

In der Zooarchitektur der ersten Jahre waren die Stilrichtungen des Historismus, der Romantik und des Exotismus prägend. Für diese Prägungen ist eine Ambivalenz entscheidend, die vor dem Hintergrund der nicht erfolgten politischen Emanzipation erklärt werden muß. Die Anschauung des Lebendigen sollte gegen die Zerstörungswut helfen.

Die Erkenntnisse aus der Tierbeobachtung sollten dazu dienen, die rohen Triebe zu verfeinern, die Sensitivität zu schärfen und den Geist zu entfalten. Wie schon die englischen Landschaftsgärten wurden auch die deutschen Zoos ein Freiraum (und Rückzugsgebiet) der sinnsuchenden Intellektuellen. Innerhalb der entsetzlichen sozialen Verhältnisse der frühen Industriealisierungsphase galten sie dem aufgeklärten Bürgertum als „lebendige Oase“.

Die historistische Zooarchitektur zeigte ein dynamisiertes Weltbild der Emanzipationsbewegungen des 19. Jahrhunderts. Geschichte war nicht mehr christlich-feudal statisch, sondern bürgerlich erfaßbar und interpretierbar, individuell zu erfinden. Eine gewisse Beliebigkeit und Fantastik in der Anlage imaginierter historischen Epochen und Regionen zugeordneten Gebäuden, die aus heutiger Sicht naiv anmutet, zeigte den Durchbruch eines demokratischen Zugangs auf Aneignung der Geschichte. So wurden Bären in „mittelalterlichen“ Burgen präsentiert, Eulen in „Klöstern“, Hirsche in „Landhäusern“ etc.

Auf einer symbolischen Ebene entfaltete sich hier, eine den deutschen Verhältnissen angemessene kritische Kraft. Indem feudale und klerikale Architektur spielerisch für Tiergehege verwendet und begehbar wurde, verlor sie ihre Bedeutung als reales und unberührbares Herrschaftssymbol. Die bürgerliche Öffentlichkeit setzte sich so an die Stelle einer als überwunden dargestellten Epoche.

Der Historismus zeigte die Eingemeindung von Natur und Geschichte in die bürgerliche Kultur. Als Stilrichtung war er kennzeichnend für die bürgerliche Ideologie der Herrschaft durch Integration und Verinnerlichung. Eine Besessenheit vom Objekt war einem modernisierungsorientierten Fortschrittsdenken und der Überzeugung der Veränderbarkeit aller Dinge verhaftet, die einen Bruch zum christlich vormodernen und feudalen Weltbild der Unveränderbarkeit der göttlichen Schöpfung bedeutete.

In der mit dem Historismus verbundenen Romantik zeigte sich in den Zooanlagen ebenfalls die politische Niederlage und die feudale Erstarrtheit der politischen Verhältnisse. Der Ort der romantischen Zooarchitektur war die Natur und die Fremde. Sie symbolisierte einen Fluchtraum vor Absolutismus und Moderne gleichermaßen. Bei genauerem Hinsehen erweist sich die der Romantik zum Beispiel von Peter Kratz angelastete Verklärung vormoderner Herrschaftsverhältnisse auch als künstlerisch überhöhte intensive Beschreibung der deutschen Wirklichkeit und als sublimierte Kritik an den bestehenden feudalen Verhältnissen.

Die Entgrenzung der Welt zeigte vor allem eine freigeistige Flucht vor den deutschen Verhältnissen. Hatte der Romantiker Novalis noch die Überwindung der staatlichen Gewalt als Ziel des magischen Idealismus und E.T.A. Hoffmann die Nachtseite der Aufklärung literarisch umgesetzt, so galten dem städtischen Bürgertum in romantischer Architektur angelegte Zoos als Fluchtraum gegenüber feudalstaatlicher Gewalt und fürstlicher Menschenverwaltung.

Diese „Oasen“ wurden zum Sinnbild der geistigen Freiheit bei politischer Unfreiheit. In der Romantik ersetzte die künstlerische Transzendierung der Welt die nicht erfolgte materielle Transzendierung der Herrschaftsverhältnisse. Aus der soziologischen Retroperspektive liegt es nahe, die künstlerische Transzendierung in eine Kontinuität mit dem späteren militaristischen Pathos eines Ernst Jüngers und den völkischen Bewegungen der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts zu setzen.

Der sozialgeschichtlichen Wirklichkeit Mitte des 19. Jahrhunderts (also vor Darwin und vor Marx) hält ein solcher Rückblick aus heutiger Sicht nicht stand. Eine Kritik vieler Romantiker an der Totalität der Technokratie ab den 1860er Jahren verweist in ihrer Genese in nicht zuende gedachter bürgerlicher Verzerrung auf die Fragestellungen der negativen Dialektik von Theodor Wiesenthal Adorno und ein Unbehagen gegenüber dem Frühkapitalismus.

Ein romantisch-naturphilosophischer und aufklärerisch geprägter Bildungsansatz, wie ihn die frühen Zoogründungen verkörperten, war massiven obrigkeitsstaatlichen Repressionen ausgesetzt bei gleichzeitig mehrheitlicher Ignoranz durch die Mehrheit der Bevölkerung.

Das Bedürfnis nach einer poetisierten Unendlichkeit weist auf die reale Beengung und erstickende Herrschaftsgewalt in Deutschland. Selbst progressive Adlige erklärten ihre Beteiligung an Zoogründungen als Oasen in der reaktionären Wüste. Als kulturelle Tradition erwies sich die Romantik als zweischneidiges Schwert. Im Vergleich zu dem Sieg der Aufklärung in England und Frankreich war die Freiheit durch Vergeistigung zweifelsohne rückschrittlich. Die Schattenseite der Aufklärung und die postrevolutionäre Etablierung neuer autoritärer Herrschaftssysteme in Frankreich als Thema sowohl bei Goethe, als auch bei Hauff oder E.T.A Hoffmann konnte nur aus der Distanz bei nicht erfolgter eigener politischer Befreiung und sozialer Emanzipation beschrieben werden.

Der Exotismus als kulturelle Tradition war die Erweiterung der Romantik in die Fremde. Romantisierte, halb fiktive, halb auf Reiseberichten basierende Vorstellungen über außereuropäische Kulturen wurden den eigenen Bedürfnissen entsprechend dargestellt. Dabei verbanden sich tradierte Klischees des christlichen Abendlandes (der Orient als lustvolles Paradies) mit nach außen projezierten Freiheitsvorstellungen und einer Erweiterung des kulturellen Horizonts. Auch der Exotismus, die Vorstellung der freien Entfaltung außerhalb der deutschen Verhältnisse enthielt implizit eine Kritik am Bestehenden.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts war die Sichtweise auf andere Kulturen noch weitestgehend durch wohlwollende Klischeebildung und projezierte Sehnsüchte bestimmt und nicht durch einen offensichtlich rassistischen Chauvinismus. Die Hinwendung zu außereuropäischen Kulturen resultierte aus einer Unzufriedenheit mit der Biederkeit des deutschen Michels und den reaktionären Beschränkungen der feudalen Kleinstaaten. Zugleich wurde in der exotistischen Architektur die Fremde geordnet und überschaubar-verbürgerlicht.

Alle drei Baustile wurden von der akademischen Zoologie des 19. Jahrhunderts als falsche Information abgelehnt, da sie eine imaginierte und nicht die reale Welt zeigten.

Die Durchsetzung kultureller bürgerlicher Hegemonie zeigte sich in den Tierbildern, die vermittelt wurden. In der adligen Tierhaltung war es um die direkte Ausübung von Gewalt gegenüber dem Tier gegangen, um den unbedingten Herrschaftsanspruch des Feudalherrn zu untermauern. Dazu zählten Tierkämpfe, Treibjagden und die Haltung in Gruben (Blick von oben). In den bürgerlichen Zoos wurden hingegen „gezähmte Bestien“ als Teil einer begehbaren Kunstlandschaft als bürgerliche Verinnerlichung von Herrschaft präsentiert.

Einerseits wurden die Tiere bewußt eingesperrt, um zu zeigen, dass „das Wilde“ eingesperrt gehört andererseits wurden sie in tierquälerischen Dressuren kulturalisiert. Tiere wurden in der Dressur als Karikaturen bürgerlicher Sittlichkeitsvorstellungen gezeigt, als Schimpansen, die mit Messer und Gabel aßen, Bären, die Fahrrad fuhren, Elefanten, die auf Flaschen balancierten. Die Selbstdisziplinierung als Hauptkennzeichen bürgerlicher Repression wurde an nichtmenschlichen Lebewesen demonstriert. Symbolisch zeigte sich, dass es in der kulturellen Hegemonie des Bürgertums kein Außen mehr geben durfte.

Trotz eines postulierten Anspruchs auf Volksbildung blieben die ersten Zoos elitäre Veranstaltungen. Die Eintrittspreise waren bewußt so hoch gehalten, dass sich Arbeiterfamilien den Eintritt nicht leisten konnten. Zu Vorträgen und Veranstaltungen wurden nur Honoratioren zugelassen. Die hohen Preise (nicht die teiilweise quälerische Tierhaltung) waren denn auch Hauptkritikpunkt der Linken und Frühsozialisten. Zoos galten als Kennzeichen mondäner Liberalität, im Gegensatz zu dem als hinterwäldlerisch betrachteten Adel.

Der Pferdefuß der liberalen Demokratieforderungen zeigte sich auch in den Zoogründungen und sollte nach 1865 deutlich werden. Denn liberal-demokratische Mondanität leben zu können, setzte materiellen Wohlstand voraus. Zwar vertrat das die Zoos frequentierende Bürgertum ein an dem Goetheschen Gutmenschen orientiertes Bildungsideal, doch ernsthafte Bemühungen, die „Bildung des ungebildeten Volkes“ in die Tat umzusetzen, waren Mangelware.

Die Zoos wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Massenkultur. Die Inszenierung von Tierschauen zeigte die Popularisierung und Kommerzialisierung der Kultur durch das Bürgertum. Eine Verbilligung der Eintrittspreise ging einher mit einer Öffnung der Zoos für die Vergnügungsindustrie durch Karusselle, Schaustellerveranstaltungen, Wettbewerbe und andere Geldquellen.

Carl Hagenbeck in Hamburg und der erste Zoodirektor in Leipzig Ernst Pinkert betrieben Ende des 19. Jahrhunderts kommerziellen Tierhandel und integrierten Zoo und Zirkus in die Kulturindustrie. Die Tierhaltung ohne Gitter, wie Hagenbeck sie initiierte, verdeutlichte das Ausmaß der Entfremdung der großstädtischen Bevölkerung von der nichtmenschlichen Natur Ende des 19. Jahrhunders. Die Sehnsucht nach „unberührter Natur“ ergab sich aus der Erfahrung der Industriestadt.

Diese Verjahrmarktung und Öffnung für die Bevölkerung bedeutete keinesfalls eine weitergehende politische Demokratisierung und einen Erfolg der Aufklärung in den Zoos- im Gegenteil. Das liberale Bürgertum, das seit 1848 einen Gesellschaftsentwurf vertreten hatte, nach dem durch die Aufhebung der Adelsprivilegien und der feudalen Verschwendung die Unterschichten zur Mittelschichtsgesellschaft aufsteigen sollten, hatte sich an vorindustriellen Strukturen orientiert.

Die Industriealisierung und Urbanisierung der 1860er Jahre und die Proletarisierung weiter Bevölkerungsgruppen zwang die Liberalen, einen Klassenstandpunkt zu beziehen. So rückte in den Zoogründungen der 1860er und noch mehr der 1870er Jahre das nationalliberale und nationalkonservative im Unterschied zum politisch liberalen Element in das Zentrum der Zoogründungen.

Zoos sollten nun Wahrzeichen einer „wahren deutschen Großstadt“ sein. Die Zoobetreiber wollten statt exotischen einheimische Tiere mit hoher nationalistischer Symbolkraft wie Adler, Bären und Wölfe zeigen. Die Zooarchitekten verwendten bewußt Baumaterialien aus nationalen Quellen. Die Verbindung zur Naturwissenschaft in den Zoos der Reaktionszeit war peripher. An die Stelle des naiven, aber dem Fremden positiv aufgeschlossenen und als Abgrenzung gegenüber der feudalen Reaktion angesehenen Exotismus trat Ende des 19. Jahrhunderts der durch Haeckel propagierte Sozialdarwinismus als Pervertierung der Darwinschen Lehre.

Die Revolution in der Biologie, Darwins Origin of Species prägte die Zoos ab 1858. Mit der Theorie einer Entstehung der Tierarten durch natürliche Auslese kippte das sowieso schon bröckelnde theologische Weltbild der göttlichen Schöpfung. Die Evolutionstheorie löste die universalistische Naturphilosophie der Romantik ab.

Darwin prägte Theorien der politischen Moderne: Marx sah die politische Ökonomie als Übertragung der Darwinschen Lehre auf gesellschaftliche Verhältnisse. Der russische Anarchist Kropotkin erklärte das Solidaritätsprinzip als Basis menschlicher Vergesellschaftung, wirtschaftliche Liberale rechtfertigten mit der „natürlichen Selektion“ den Frühkapitalismus, biologistische Rassisten erklärten mit Darwin die „Überlegenheit der arischen Rasse“.

Neuscholastische Beamte und christliche Konservative bekämpften die Darwinsche Lehre ab den 1860er Jahren in Deutschland auf das Schärfste. Nur in der Verbindung mit Geographie, Volks- und Sittenkunde durfte Biologie in den Schulen unterrichtet werden. Auch fortschrittliche Zoogründer wurden gezwungen, die Darwinsche Lehre zu entschärfen und eine „harmonische Ganzheit“ (zwischen Herrschenden und Beherrschten) abzubilden. Linke und Sozialisten, die sich durchaus in der Naturkunde engagierten, wurden, da die Bewilligung von Geldern und die Erlaubnis zum Bau von Zoos zum Großteil von konservativen Beamten abhing, in der Regel überhaupt nicht als Zoodirektoren zugelassen.

Die Evolutionstheorie bot den aufklärerischen Wissenschaftlern großen Zündstoff. Wenn sich nämlich die Entwicklung der Tierarten in dynamischem Wandel befand, dann war auch die Gesellschaftsordnung des „Tieres Mensch“ veränderbar. Leider setzte sich das emanzipatorische Potential der Darwinschen Lehre in Deutschland nicht durch. Auch in den Zoos zeigte sich nach 1871 vielmehr eine Entwicklung des deutschen Bürgertums:

· der expandierende Industriekapitalismus verlangte flexible und austauschbare Arbeitsheere, die aber dennoch als Masse bestimmbar und abgrenzbar sein mussten

· als Kompensation der nicht erfolgten politischen Emanzipation wurde das expansive Potential einer aufstrebenden Klasse nach Aneignung der Welt nach außen verlagert

· statt politischem Umsturz verbürgerlichten Teile des Adels, während Teile des Bürgertums sich feudalisierten

· die Ablehnung eines theologischen Weltbildes ging einher mit dem Klassenstandpunkt gegen die soziale Emanzipation

· die biologische Revolution durch Darwin erfolgte fatalerweise in einer Zeit übergreifender Verwaltungsstrukturen für öffentliche Hygiene und Sozialdisziplinierung

· vorbürgerliche Mentalitäten einerseits, statische Mittelstandsmoral andererseits prägten einen kulturellen Integrationismus, der keine rationale Basis hatte.

· hinzu kam ab den 1880er Jahren die Beteiligung Deutschlands an dem kolonialen Raub der Welt, die eine ideologische Herabsetzung der unterworfenen Kulturen bedingte

Schnittstelle zwischen alten und neuen Eliten, bürgerlichem Partizipationsanspruch und feudaler Modernisierung, verbunden mit einer nicht umfassend vollzogenen Aufklärung und einer ungebildeten Bevölkerung wurde der biologistische Rassismus.

Der Eugeniker und Vordenker der nationalsozialistischen Rassenlehre Ernst Haeckel verkehrte die rationale Darwinsche Evolutionstheorie, die retroperspektiv die Naturgeschichte der menschlichen Gattung aufgezeigt hatte, in ein Modell des immerwährenden Kampfes zwischen „höher- und minderwertigen Rassen“, der durch „Ausmerzung“ gezielt betieben werden sollte. Haeckel war an der Schwelle zum 20. Jahrhundert der bekannteste deutsche Zoologe und überdeckte die fachliche Reputation seines wissenschaftlichen Ziehvater, des Arztes Virchow, der den freidenkerischen Gesundheitsreformern nahestand. Leider hatte der politische Linke Virchow fälschlicherweise die Evolutionstheorie abgelehnt. Der politische Rassist Haeckel konnte durch seine Interpretation der faktisch richtigen Darwinschen Lehre die Ausrichtung der Biologie bestimmen. Das Surviving of the fittest, bei Darwin als Überleben der am besten geeignetsten Tierarten in der Anpassung an äußere Umweltbedingungen gemeint, wurde Grundlage der liberal-rassistischen Ideologie vom Überleben der leistungsstärksten Kapitalisten. Progressive Interpretationen der Evolutionstheorie wurden erst nach Haeckels Tod und der Revidierung seiner mörderischen Mißinterpretationen möglich.

Die deutschen Zoos im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts wurden zu Schaufenstern des Kolonialismus (Eric Baratay, Elisabeth Hardouin-Fougier). Das Rosseausche Bild vom „guten Naturmenschen“ wich der künstlerischen Darstellung „kolonialer weißer Helden.“

In der kolonialen Peripherie refeudalisierte sich das Bürgertum. Als Kolonialbeamte und Militärs bildete das Bürgertum eine neue aristokratische Klasse, die sich über tradierte feudal-europäische Symbolismen definierte. Bürgerlich koloniale Großwildjäger traten außerhalb Europas in die Kontinuität der adligen Jagd in Europa ein. Die Wirtschaftsliberalen kanalisierten das sozialrevolutionäre Potential innerhalb Deutschlands mit dem Versprechen kolonialen Reichtums nach außen. Wenige bürgerliche, sozialdemokratische und sozialrevolutionäre Außenseiter übten Kritik am Kolonialismus. Diese Kritik war zudem, insbesondere bei dem Naturforscher Alfred E. Brehm, zumeist mit persönlichen Erfahrungen außerhalb Europas verbunden. Kritiker des kolonialen Massenmordes liefen Gefahr, selbst als „Halbwilde“ gebrandmarkt zu werden.

In der Epoche des ,nach Eric Hobsbawm, Zeitalters der uneingeschränkten Herrschaft der Bourgeoisie waren die verschiedenen progressiven Kräfte enthusiastisch von der kommenden Vollendung ihrer Weltanschauung überzeugt. Die Liberalen erwarteten den allumfassenden „freien“ Welthandel und den Sieg des Kapitalismus, die Sozialisten die Weltrevolution. Mehrheitlich waren außereuropäische Kulturen bei beiden Projektionsfläche für eine „überwundene Naturhaftigkeit“.

In der eurozentrischen Tradition des christlichen Abendlandes, der Zeit der Ausrottung für nichteuropäische Kulturen, war die Frage nach der Bekehrung eher die Frage nach dem Wofür, als nach dem Ob. Der Glaube an den europäischen Fortschritt (und die damit verbundene genozidale Vernichtung indigener nichteuropäischer Kulturen) war mehrheitlich weltanschauliches Bekenntnis und praktische Umsetzung sowohl der Konservativen, Liberalen, als auch der Sozialisten.

Der rassistische Kommentar eines Zeitgenossen, der nach einer Völkerschau in der Tierbude von Carl Hagenbeck wünschte, dass die ausgestellten native americans „ein wenig Zukunftsmusik in den Urwald bringen“ entsprach dem fortschrittsgläubigen Zeitgeist, der sowohl Liberale wie auch viele Sozialisten kennzeichnete.

Die anthropomorphologisierte Präsentation in den deutschen Zoos der Jahrhundertwende entsprach der Angleichung menschlicher Körperlichkeit an einprogrammierte Funktionseinheiten, die den in der bürgerlichen Gesellschaft neuen Typ von Kontrolle über Individuen, die der Disziplinarnormierung widerstanden, auszeichnete.

Sinnbild dieses „wilden Denkens“, das gezähmt, dressiert und integriert werden musste, war die Naturhaftigkeit, für die als kulturelle Symbolik „das Fremde“, außereuropäische Menschen, Frauen und Tiere dienten. Dass weder artbedingtes Verhalten von Tieren, noch die soziokulturellen Muster der entwürdigten außereuropäischen Menschen mit diesen normierenden Projektionen in ihrer Wirklichkeit irgendetwas zu tun hatten, liegt auf der Hand. Der emanzipatorische Ethnologe Claude Lévi-Strauss definierte demzufolge wildes Denken auch nicht als unzivilisiert, sondern als selbstbestimmtes Denken, dass sich fremdbestimmter psychischer Funktionalisierung und Leistungsanpassung entzieht.

Noch in den 60er und 70er Jahren war eine Präsentation der Tiere als „Bestien hinter Gittern“ vom Publikum überaus erwünscht. An der Akzeptanz der Hagenbeckschen Freigehege zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde deutlich, dass Käfige und Gitter mit der Etablierung bürgerlicher Hegemonie nicht mehr beliebt waren. In dem beschleunigten Industriealisierungsprozess war die mehrheitliche Euphorie über die Durchsetzung des technischen Zeitalters Mitte des 19. Jahrhunderts weitestgehend der Sinnsuche in einer imaginerten „freien Natur“ als Gegenpol zur strukturellen Gewalt der Industriestädte gewichen.

Die Freigehege, die wenig Verbesserungen für die Tiere brachten, aber den Blickwinkel veränderten, zeigten ein wichtiges Kennzeichen der etablierten bürgerlichen Herrschaft- die Verdrängung. Einhergehend mit der Einrichtung von Sperrbezirken für Prostituierte, Obdachlosenlagern, abgeschotteten psychiatrischen Anstalten und Gefängnissen wurde das in den „neuen“ Zoos inszenierte „künstliche Paradies“ Teil der Unsichtbarmachung der Gewalt bürgerlicher Herrschaft.

Der „Tiervater“ Alfred E. Brehm beeinflusste ab Mitte des 19. Jahrhunderts einen Umbruch in der Wahrnehmung der Zootiere. Die Biologie des 19. Jahrhunderts stand in der Tradition von Cuvier, systematisierte und klassifizierte vor allem tote Tiere. Brehm stellte das lebende Tier in den Vordergrund und „erfand“ die Ethologie. Er hasste die Irrationalität, insbesondere die Kirchen und setzte der Idealisierung der Tiere die Tierpsychologie entgegen. 1869 erschien die erste Auflage der „Illustrierten Tierleben“. Damit popularisierte Brehm die Zoologie. Er leitete den ersten Zoo in Hamburg, am Dammtor, überwarf sich jedoch mit den hanseatischen „Kaffeesäcken“.

Der 1863 gegründete Zoo am Dammtor stand konträr zum Hagenbeckschen Tierhandel, den Carl Hagenbeck damals noch am Pferdemarkt betrieb. Die bürgerliche Einrichtung wurde von einer Aktiengesellschaft getragen und stand mit dem Konzept einer nüchternen Sachlichkeit in der Tradition der wissenschaftlichen Galeriehaltung. Der aggressiven Konkurrenz Hagenbecks war es zu verdanken, dass der Zoo am Dammtor bereits nach wenigen Jahren schliessen musste.

Carl Hagenbeck gründete nicht nur 1908 Hagenbecks Tierpark, sondern arbeitete auch Jahrzehnte als Tierfänger. Tierforschung, Tierhandel, Zoo und Zirkusvorstellungen standen bei Carl Hagenbeck in einem Gesamtzusammenhang. Die Hagenbecksche Tierhandlung war in den 1880er Jahren die grösste der Welt. Carl Hagenbeck unterschied sich massiv von den bildungsbürgerlichen Ansätzen der ersten Zoogründer. Er war auf den Kontakt zur „einfachen“ Bevölkerung existentiell angewiesen. Die etablierten Zoologen betrachteten Hagenbeck wegen seiner Hinwendung zur Massenkultur als Affront. Die Tiere bekamen für Hagenbeck eine neue Bedeutung, nicht akademisches Objekt oder philosophisches Subjekt, sondern wertvolle Ware.

Hagenbeck nutzte die Transportwege der arabischen Sklavenhändler in Nordostafrika nicht nur als Tierfänger, sondern stellte ab 1874 auch Menschen aus. Die Zoos engagierten ab den 1870er Jahren auch allgemein vermehrt Schausteller für Völkerschauen. Neben Menschen aus außereuropäischen Gesellschaften, die mit den Tieren der geographischen Region gezeigt wurden, wurden Körperbehinderte, Menschen mit ausgeprägtem Haarwuchs und sonstige „Freaks“ zur Möglichkeit, die eigene „Überlegenheit“ zu pflegen.

Diese diskriminierenden Schauen hatten ihre Basis in der bereits seit der frühen Neuzeit betriebenen Zurschaustellung der Norm nicht entsprechender Menschen. Vor der Gründung von Zoos wurden die Unterschichten sonntags durch die Irrenhäuser geführt, um sich am Verhalten psychisch kranker (beziehungsweise krankgemachter) Menschen zu ergötzen.

Hagenbeck wollte in den Völkerschauen „Alltagskultur“ präsentieren. Die Massenkultur wurde bei Hagenbeck zu einem „Freilichtmuseum“ mit lebenden Menschen. Neben ethnologischen Sammelstücken stellte Hagenbeck auch Nasenhörner, Antilopengehörne und andere „Jagdtrophäen“ aus. In der Massenkultur inszenierte Hagenbeck die „Welt im Kleinen“.

1908 öffnete Carl Hagenbeck Hagenbecks Tierpark in Stellingen. Die Konzeption einer Inszenierung on Freiheit war neu. Hagenbecks „Freigehege ohne Gitter“ revolutionierten die Zoos. Hagenbecks Tierpark wurde zum Inbegriffs eines modernen Tiergartens, ohne trennende Käfiggitter. Hagenbeck betrieb in seinem Zirkus auch die sanfte Dressur, in der Tiere nicht gebrochen wurden, sondern durch Belohnungen und Vertrauen zu Übungen gebracht, die ihrem natürlichen Verhalten entsprechen sollten.

Eine Wende in der Sicht vom Wildtier zeigte sich in Hagenbecks Konzeption. In den Zoos Mitte des 19. Jahrhunderts zeigten die Bürger bewusst die Herrschaft über „Bestien“. Enge Käfighaltung war kein Gegenstand der Kritik, sondern gerade Monument bürgerlichen Selbstbewusstseins. Die Hagenbecksche Wende zu „Freigehegen“ zeigte, dass in der Zootierhaltung die Imagination von Freiheit in den Mittelpunkt der Wahrnehmung rückte. Der Hagenbecksche Tierpark war auch gartenarchitektonisch ein Meisterwerk und von der Gartenarchitektur der Höhepunkt der deutschen Zoos des 19. Jahrhunderts.

Die Hagenbecksche Tierparkgestaltung zeigte auch deutlich das Moment des europäischen Superioritätsdenkens. Hagenbeck integrierte die Tiere in den Gehegen und die Menschen in den Völkerschauen in den Blick des Kolonialherren auf die Welt, die im „Kleinen“ durch den europäischen Bürger verwaltbar und begehbar wurde.