Krieg um die Unabhängigkeit Schottlands

Weitere Artikel zur schottischen Geschichte, Römer, Wikinger, Mary Stuart, Bonnie Prince Charlie… 27. Juli 2012 in der Miroque.

Geburt einer Nation aus der Gewalt

Schottland im Mittelalter war bequem wie ein Bett aus Disteln. Kriege mit England überdachten Kämpfe des einheimischen Adels. Die Schlacht bei Stirling Bridge markierte 1297 den Weg in die nationale Unabhängigkeit: Die Schotten unter William Wallace (gest. 1305) und Andrew von Moray (1265-1297) schlugen die Engländer. Ein Jahr später trugen die Engländer jedoch bei Falkirk den Sieg davon. Die Hinrichtung des Aufstandsführers Wallace 1305 demonstrierte, was die englische Krone von der schottischen Unabhängigkeit hielt. Der Adlige Robert the Bruce (1274-1329) ließ sich zum König der Schotten krönen. Sein Heer bezwang 1314 die ‚Sassunach’ bei Bannockburn. Aus Chaos und Kriegen formte Schottland sich zur Gestalt eines eigenständigen Königreichs.

Chaos um die Thronfolge

Der schottische König Alexander II. (1198-1286) starb bei einem Unfall. Die Thronwächter wollten Margaret (1283-1290), der ‚Maid of Norway’, die Krone aufsetzen, im damaligen Europa ein ungewöhnliches Unterfangen, denn sie war ein Kind. Auch Königinnen kannte die Zeit nicht. Die Guardians trafen ihre Entscheidung mit Kalkül: Edward von Caernarforn, Prince of Wales und Sohn des englischen Königs Edward I. (1272-1307), war zum Bräutigam auserkoren. Die Bindung zu England blieb; das Mädchen stand unter Kontrolle. Der frühe Tod Margarets zog den Guardians einen Strich durch die Rechnung; das Chaos war perfekt.

Schottische Adlige und Herrscher im Ausland gierten, das Zepter an sich zu reißen; die Magnaten versuchten, Schottland unter sich aufzuteilen. König Edward I. sollte schlichten, eine Zwickmühle: Jeder Anwärter auf die Krone wäre an England gebunden und hätte zugleich die Rückendeckung durch die englische Monarchie. Die Gefahr durch einzelne Magnaten schien ebenso gezähmt wie Kriege der Clanchefs.

Der Haken lag in der Frage Doppelmonarchie in England und Schottland oder ein Schottland unter englischer Herrschaft? England und Schottland waren seit 1237 getrennt. Ein englischer König als neutraler Vermittler bedeutete nicht notwendig englische Oberherrschaft. Die Bewerber mussten sich jedoch Edward I. als Herrscher unterwerfen. Die Parlamentarier in Schottland reagierten empört; die Kronenanwärter akzeptieren seine Spitzenfunktion. Nationalbewusstsein gehörte nicht zum Selbstverständnis der Adligen: Sie besaßen Ländereien in England und verpflichteten sich ihrem Lehnsherrn; der konnte der englische wie der schottische König sein.

In die engere Auswahl fielen Robert the Bruce der Ältere und John Balliol (1249-1315). Die Intimfeinde kamen aus Galloway. Edward I. ernannte 1292 Balliol zum König. Das schottische Parlament akzeptierte; eine stabile Einigung des Landes schien in Aussicht.

Der schottische Widerstand

Die Zeit schrie nach einem Widerstandsführer, der quer zur etablierten Adelshierarchie stand: William Wallace. Dieser Ritter hatte Edward I. keinen Treueid geleistet und sammelte Freischärler um sich, seine Männer verbanden sich mit denen des Earl of Moray. Die Engländer befanden sich im Dilemma einer Besatzungsmacht. Das englische Militär kontrollierte zwar die Schlüsselstellen, die Städte und Festungen, hatte aber keinen Rückhalt auf dem flachen Land, Adel und Intellektuelle waren an London gebunden, nicht die Bauern. Ihre Loyalität galt den traditionellen Führern; Kollaborateure galten als Verräter. Der abwartende Hochadel büßte Vertrauen ein. Steuerlasten wurden unerträglich, schürten die Rebellion, Wallace führte Guerillakrieg, überfiel englische Posten da, wo sie schwach waren, griff englische Truppen an, wenn sie über Land zogen.

Bannockburn

Robert the Bruce, Enkel des Mitbewerbers von John Balliol um die Krone war Edward I. zu Treue verpflichtet; in Dunbar hatte er für die Engländer gekämpft. Erst nach dem Tod seines Vaters führte er den Widerstand der Schotten.

Die Niederlage von Wallace bei Falkirk mag den Ausschlag gegeben haben, das Vakuum als Führer des Widerstandes zu füllen. Bruce erstach seinen Rivalen um die schottische Krone, John Comyn in einer Kirche in Dumfries. Er musste handeln oder untergehen, besetzte Dumfries mit seinen Soldaten und krönte sich in Scone, ohne den Stein. Der selbst ernannte König der Schotten überfiel 1306 die Festung Perth, verlor die Schlacht, floh und führte einen Guerillakrieg wie Wallace zuvor.

Edward I. starb 1307. Er ließ sich in einem Sarg aus Blei beerdigen. Sein Leichnam sollte in einen Goldsarg gebettet werden, wenn Schottland Teil seines Königreichs geworden war. Dieser Wunsch erfüllte sich nicht – bis heute.

Robert the Bruce nutzte die Schwäche Englands und überzog den Nordosten Schottlands mit Krieg, nahm eine Festung nach der anderen ein. Stirling, ein strategisch wichtiger Posten, blieb in englischer Hand. Bruce forderte den neuen englischen König Edward II. heraus und stellte ihm ein Ultimatum, Stirling zu übergeben. Der machte dem Namen seines Vaters alle Ehre und schwang den Hammer: 15000 Infanteristen und 2000 Reiter fielen in Schottland ein. Die Schotten hatten ein Viertel der Reiter und die Hälfte der Fußsoldaten aufzubieten. Sie waren keine blau bemalten Zottelbärte wie in Mel Gibsons Braveheart, aber von der Ausbildung und Bewaffnung den Engländern nicht gewachsen.

Der größte Sieg der Schotten verlief nach der List, die Arminius den Sieg über die Legionen von Kaiser Augustus bescherte: Locke den Feind in dir vertrautes Gebiet. Die Schotten stellten die Engländer 1314 zwischen den Flüssen von Bannockburn, südlich von Stirling Castle.

Die Fehden ruhten. Die MacDonalds, mit Bruce verfeindet, kämpften gegen die Engländer mit ihm. Die Flüsse Bannock und Pelstream zwängten die englischen Soldaten ein. Ihre Überzahl erwies sich als Nachteil; es gelang nicht, die von Schotten attackierten Massen zu sammeln. Der Schilltron hielt. Schottische Reiter zersprengten die Langbogenschützen, der Pfeilhagel gegen die Mauer aus Spießen und Schilden blieb aus. Tausende von Engländern fanden den Tod.

Das Manifest von Arbroath

Die Schotten befanden sich in einem Dilemma; ohne Anerkennung brachten ihnen ihre Siege nichts. Sie wendeten sich folgerichtig an die Kontinentalmächte statt an den englischen König. Die an den Papst geschriebene Erklärung von Arbroath von 1320 gilt als Manifest der schottischen Nation, das in Latein verfasste Dokument nimmt Rechtsstaatlichkeit vorweg – die Trennung von König und Nation: „Wenn (…) der Fürst (…) zustimmen sollte, dass wir oder unser Königreich dem König oder Volk von England unterworfen würden, werden wir ihn sofort als unseren Feind ausstoßen, als Umstürzer seiner und unserer Rechte, und wir werden einen anderen zum König machen, der unsere Freiheiten verteidigt. (…) Denn wir kämpfen nicht für Ruhm oder Reichtum noch Ehre, sondern für die Freiheit allein, welche kein tapferer Mann aufgibt, es sei denn mit seinem Leben.“

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Historiker, Dozent, Publizist